Broken Dreams

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Ninedragons
Zwergdrache
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Broken Dreams

Beitrag von Ninedragons »

Ling träumt.
Die Welt ist weich und warm und fühlt sich an wie aus Watte. Ihr Körper schwebt und das ist ein lustiges Gefühl. Irgendwo unter sich kann sie den Wald erkennen, dürre schwarze Zweige vor dem Weiß des Schnees. Jemand bewegt sich dort; vier Gestalten die mit schweren, mühsamen Schritten hintereinander entlangstolpern.

Irgend etwas an diesen Leuten ist ihr vage vertraut und erweckt ihre Neugier. Man kann nicht sagen dass sie sich bewegt hätte, doch irgendwie ist sie ihnen nun näher. Nah genug ihre Gesichter zu erkennen.
Korgan, das ist der Ork, er geht voraus. Hinter ihm folgt eine kleinere Gestalt, bei der es sich nur um Léon handeln kann; zwischen den massiven Körpern seiner Freunde ist er kaum zu sehen. Und den Schluss bilden die Orkfrau, deren Namen sie sich nicht gemerkt hat und Azard, der Troll. Er geht gebeugt, stützt sich schwer auf seine Begleiterin und hustet von Zeit zu Zeit.

Alle wirken schwer angeschlagen, selbst Korgan, die massigen Schultern gebeugt, den Rücken gekrümmt als trüge er eine schwere Last, obwohl das Bündel in seinen Armen nicht viel wiegen kann. Er hält es wie ein Baby und wirft von Zeit zu Zeit immer wieder einen besorgten Blick darauf, der so gar nicht zu ihm passen will.
Neugierig späht Ling über Korgans Schulter und erhascht für eine Sekunde einen Blick auf ein blasses Gesicht unter einem schwarzen Haarschopf.
Aber natürlich – das bin ich!

Die Erkenntnis ist erstaunlich. Erstaunlich vor allem deswegen, weil Ling das Gefühl hat, diese Entdeckung sollte mit irgendwelchen Emotionen einhergehen. Es scheint irgendwie… seltsam. Bizarr. Surreal. Auf seinen eigenen Körper hinunterzusehen und dabei nicht mehr zu empfinden als würde man eine Schaufensterpuppe betrachten, erscheint ihr irgendwie – falsch.
Andererseits hat Ling keine Ahnung, was sie denn nun eigentlich fühlen sollte. Es geht ihr doch gut. Sie hat keine Schmerzen mehr, fühlt keine Kälte.. einzig und allein ein leises Bedauern, dass sie jenen dort unten nicht mittteilen kann, dass es ihr gut geht empfindet sie.
Sie werden darüber hinwegkommen. Da ist sie sicher. Sie werden natürlich traurig sein, aber das wird nach einer Weile vergehen. Alles wird gut.

Und warum ist sie dann noch hier?
Ling zögert. Ihr Blick bleibt an Léons Gesicht haften. Kaum zu sehen unter den wirren, verklebten Haarsträhnen die ihm tief in die Stirn hängen. Und kaum zu erkennen; Blut ist an der Seite seine Wange hinuntergelaufen und bildet einen erschreckenden Kontrast zu der Blässe seiner Haut, die beinahe durchscheinend wirkt. Die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, das Gesicht wirkt schmal und eingefallen. Und seine Augen…. In Léons Augen spiegelt sich so viel Schmerz, dass Ling es beinahe selber fühlen kann.

Schmerz. Schmerzen und Kälte. Es ist furchbar kalt und alles tut ihr weh.
Irgendwo über sich Korgans Gesicht. Er blickt besorgt auf sie herab und murmelt irgend etwas….

Entsetzt fährt Ling hoch. Das kleine Zimmer ist dunkel, nur die Leuchtreklame von gegenüber lässt sonderbare Schatten an den Wänden entstehen und die Stofftiere über ihrem Bett wie seltsame Ungeheuer wirken.
Es war nur der Traum. Wieder einmal.
Ling setzt sich im Bett auf und knipst die Nachttischlampe an. Halb vier. Eigentlich braucht sie sich gar nicht wieder zum Schlafen hinlegen; sie wird keinen Schlaf mehr finden diese Nacht. Immer wieder dieser Traum – oder ist es am Ende gar keiner? Ling weiss es nicht und irgendwie möchte sie es auch gar nicht wissen. Dieser Traum und was er beschreibt sind Gegenden, in die sie sich nicht wieder vorwagen möchte. Sie möchte nicht einmal daran denken.
Es reicht auch so, zu wissen dass nichts mehr so sein wird wie vorher.

In den Redmond Barrens wächst man mit dem Tod auf. Er ist kein mystisches Ereignis das ältere Verwandte im Schlaf überfällt, nein, er ist allgegegenwärtig. Ling hatte ihre erste Leiche im Alter von vier Jahren gesehen und das blau angelaufene, starre Gesicht hatte sie noch wochenlang in ihren Alpträumen verfolgt. Es war das erste Ereignis das ihre kleine behütete Welt erschütterte.
Als sie aufwuchs, lernte sie die Spielregeln der Barrens. Sie wusste, welche Gegenden man meiden musste, um welche Leute man besser einen Bogen machte und wie man sich auf der Strasse bewegte ohne aufzufallen. Dass sie bislang ohne grössere Zwischenfälle ausgekommen war – wenn man einmal von dem Jungen absieht, der ihr ein Taschenmesser in den Bauch rammte als sie zehn war – bedeutete, dass sie die Regeln gut gelernt hatte.
Wie ironisch, dann ausgerechnet fern von Seattle, im Indianerland, mitten in der Einöde von ein paar Wilderern fast erschossen zu werden.

Es ist eine Sache, zu wissen dass man jeden Tag sterben kann – theoretisch – oder ob man wirklich fast gestorben wäre.
Ling wollte keine Zeit verschwenden. Oder Dinge aufschieben, die ihr wichtig waren. Nie wieder! Das war die Erkenntnis, als man sie wieder soweit zusammengeflickt hatte, dass sie wieder klar denken konnte. Und sie fing sofort an, danach zu handeln.

Ganz dumme Idee. Dumm und voreilig.

Er hatte es einfach so hingenommen, ihre Umarmung, den Kuss. Es schien ihm nicht direkt unangenehm zu sein aber irgendwie war seine Reaktion nicht wie sie es erwartet hätte. Oder erträumt?
Danach war er kaum merklich von ihr abgerückt und hatte sie einfach nur angesehen. Sonst nichts. Ruhig und ein wenig kühl.
Das war zuviel gewesen. Sie merkte wie ihr das Blut in den Kopf stieg, drehte sich auf dem Absatz herum und floh, ohne ein Wort.
Dumm! Sehr sehr dumm!

Was hast Du dir auch davon versprochen?

Noch nie hatte sie sich jemandem so dermaßen an den Hals geworfen. Und noch nie war sie so eiskalt abgeblitzt. Ihre jämmerlichen Verführungsversuche damals nach ihrer ersten Verabredung hatten damit geendet, dass sie zuviel trank und am nächsten Morgen auf Léons Sofa aufgewacht war, sorgfältig zugedeckt aber anderweitig unberührt.
Damals hatte sie es in ihrer Verliebtheit noch als Rücksichtnahme gedeutet. Und sich gewundert warum es nie zu einer weiteren Verabredung kam. Aber sie hatten ja immer zuviel zu tun gehabt, nicht wahr?
Jetzt wusste sie, es war schlichtes Desinteresse!

Aus! Schluss! Vorbei! Sie würde sich Léon aus dem Kopf schlagen.
Ein für alle Mal!
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