Historie: Verkündung des Jahresorakels

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Sebastian
Purpurwurm
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Historie: Verkündung des Jahresorakels

Beitrag von Sebastian »

1.Praios 1027 BF – Während sich Tausende bei strahlendem Sonnenschein innerhalb der weitläufigen Umfriedung der Stadt des Lichts sammelten, füllten sich auch auf dem samtgeschmückten Balkon des Lichtboten die Thronsessel: Pagol Greifax von Gratenfels, Wahrer der Ordnung Mittellande, Großinquisitor Rapherian von Eslamshagen und viele andere Würdenträger nahmen bereits Platz. Unten ordneten die Sonnenlegionäre die Gläubigen und wiesen ihnen Plätze zu: Arme und Unfreie weit weg vom Balkon, Bürger und Adlige nach vorne. Weihrauchglocken und Kerzen brannten überall, Geißler zerschlugen sich den Rücken. In den Gärten blühten Königskerze, Aurikel, Greifenschnabel und Praiosblume.
Dreimal wurde der gewaltige Gong des Heiligen Owilmar geschlagen, dessen Klang wie ewig verhallte. Schließlich erschien der Bote des Lichts im vollen Ornat und war in diesem Moment das lichte Zentrum dieser Welt. Zehntausend Knie gingen zu Boden, ein Meer von Häuptern neigte sich. Hilberian Praiogriff II. Heliodan vereinte den Glanz und die Würde in sich, die jeder an diesem Tag zu erspüren suchte. Er begrüßte die Gläubigen, dankte dem Götterfürsten für diesen Tag und ließ die Chöre die Lobpreisungen des Praios und den I. Gurvanischen Choral anstimmen.
Unter dem Balkon wurde mit Goldstaub und Kreide ein gewaltiges Siegel des Praios gezeichnet, das noch aus altbosparanischen Tagen überliefert ist: verschlungene Symbole mit einem Durchmesser von fünf Schritt. Zwischen die Sonnenspiegel und zyklopäischen Weihrauchschalen des Siegels trat nun der für dieses Jahr gewählte Verkünder: Arrius von Wulfen, der Hofgeweihte der Reichsregentin, ein Mann von unerschütterlichem Glauben. Unbekleidet und voller blutiger Striemen trat er in das grelle Sonnenlicht. Sein Blick war zum Himmel entrückt und das Grün seiner Augen schien bis zum entferntesten Gläubigen zu strahlen. Ein letztes Mal schlug er sich mit einer natürlich gewachsenen Geißel, der Aurusdistel, auf die Haut. Ein letztes Mal salbten drei Akoluthen seine Wunden. Die Gläubigen senkten still den Blick. Der Verkünder wandte sich der Menge zu und trug erschöpft, aber laut das Orakel vor:

"Siehe den Tag! Er endet, wenn die Nacht anbricht!
Siehe die Gier! Sie füllt den Becher, wenn Steine schreien und Vögel weichen!
Siehe die Angst! Sie lacht, wenn der Himmel das Trauergewand näht!
Siehe das Siegel! Es bricht, wenn die Federn golden fallen!"


Hier aber geschah das Unfassbare. Während die Worte widerhallten, erhob sich ein Kreischen und viele Arme wiesen gen Himmel: Die Praiosscheibe wurde umtanzt von roten Flammen, die gierig über das Himmelsblau fauchten. Rot färbte sich die Welt, dunkle Schatten huschten vor der Sonnenscheibe umher.
Der Bote des Lichts starrte offenen Mundes zum Himmel. Dann wandte er seinen Blick dem Verkünder zu, der unbeirrt fortfuhr:

"Siehe den Abgrund! Er verschlingt, was am Ochsenfluss grast!"

Unruhe erfasst alle an dieser Sonnenwende. Praios' Auge war ein blutiges Fanal. Irgendwo in der Menge brach Panik aus, Menschen traten sich in der großen Masse zu Tode. Der Bote des Lichts sprang auf, leichenblass hob er das in seiner Hand zitternde Szepter: "Genug! Es ist nicht für sie bestimmt!"

"Siehe den Zorn! Er leert den Becher, wenn Löwe und Einhorn nicht vereint!"

"Bringt ihn zum Schweigen! Sofort!", donnerte der Heliodan und seine Stimme ließ alle erbeben. Sonnenlegionäre und Zeremonienhelfer stürzten auf Arrius von Wulfen zu, der noch immer das Orakel gebar. Schaum lief ihm aus dem Mund.

"Siehe den Goldenen Altar! Er vergeht in Flammen, wenn…"

Zu Boden geworfen verstummte der Verkünder und stieß nur noch erstickte Laute aus. Kräftige Arme schleppten ihn schnell ins Dunkel des Heliodanspalastes. Aufruhr griff um sich. Die Praios-Gläubigen schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und verbargen sich vor dem Himmel.
Der Bote des Lichts aber stürzte zornig seinen Thron um und verschwand mit rauschenden Gewändern ins Innere des Palasts. Seine Berater folgten ihm auf dem Fuße.
Die roten Flammen um die Sonne verschwanden bald wieder. Warmer Schein fiel auf die Masse der Gläubigen, die Zuflucht im Gebet suchten. Stunden vergingen, doch der Bote des Lichts erschien nicht wieder und niemand sprach die Worte, die jedes Jahr gesprochen werden: "Friede den Menschen, Treue den Fürsten, Gehorsam den Göttern!"
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