Ok, ich fasse mich kurz:
Die Jungs und Mädels vom Borbarad-Projekt haben mich sehr positiv überrascht. Ich hatte ja zuerst Bedenken, ob die live genauso umgänglich sind wie im Internet. Und dann sollte ich mich ihnen auch noch gleich ein ganzes Wochenende rund um die Uhr ausliefern.
Seit ich aber am Freitag Mittag am Bahnhof freundlich empfangen, in die schicke, studentische Dachwohnung von Tyll und Katharina geleitet und mir dort von versammelter Meute ein Geburtstagsständchen mit Tee, Kuchen und Geschenk dargebracht wurde, waren alle meine Bedenken zerstreut. (Ich bin bestechlich, ich weiß.)
Insgesamt war es ein herrliches Wochenende in Bochum, das definitiv Lust auf weitere Zusammenarbeit mit den Jungs und Mädels vom Borbarad-Projekt gemacht hat. Ich wurde von Katharina und Tyll fantastisch bewirtet, wir hatten viel zu lachen und lagen auch sonst offenbar deutlich auf einer Wellenlänge.
Allein dafür hätte sich die Fahrt also schon gelohnt gehabt.
Aber dann war da ja noch die RatCon, der Anlaß unseres Treffens. Wie jedes Jahr gab es zahlreiche Workshops (Grolme als Spielercharaktere, Achaz und andere Geschuppte, Stilmittel im Rollenspiel, DSA4 Manöverkritik, Cliffhanger und Abenteuereinstiege - die ersten und letzten 5 Minuten eines Spielabends, Abenteuerpräsentation - allgemeine Meistertipps, um nur einige zu nennen) und die bekannten Podiumsdiskussionen zur Firmenpolitik FanPros, kommenden Publikationen wie der Götter&Dämonen-Box und den Ausblicken zur zukünftigen Entwicklung von DSA und Shadowrun.
Nebenher konnte man sich persönliche Zeichnungen seines Lieblingscharakters von Sabine Weiß und Caryad anfertigen lassen, zu diversen Gelegenheiten die Autoren mit Autogrammwünschen nerven, den LARPern beim verzweifelten Versuch zuschauen, auf einer Convention mit 2000 Besuchern halbwegs Ambiente zu vermitteln (Es ist beim Versuch geblieben.), den zahlreichen Ausstellern ihre Produkte für teuer Geld abnehmen (Berge aus Gold und Stäbe, Ringe, Dschinnenlampen erschienen samstags exklusiv auf der RatCon. Ihr könnt Euch das Gedränge vor dem Stand des f-shop nicht vorstellen.), bei einem kostenlosen Gewinnspiel sein Glück versuchen (Ich habe das Grundregelwerk zu Armalion gewonnen! Toll, oder?) oder sich auch einfach im Imbiss den Bauch vollschlagen, was meist genauso schnell zur Pleite führte, wie die Besuche an den Verkaufsständen der Rollenspielshops.
Alle Workshops zu besuchen, war dann zeitlich leider nicht möglich. Unter anderem auch deshalb, weil wir ein gemütliches und ausgelassenes Frühstück am heimischen Küchentisch von Katharina und Tyll einem überstürzten Aufbruch zur Con in den frühen Morgenstunden vorzogen und deshalb meist erst gegen Mittag in Dortmund eintrudelten. Machte aber nix, im Grunde wartete ja eh jeder nur auf unser Erscheinen.
Ich besuchte dann die DSA4 Manöverkritik, die ich mir im Nachhinein allerdings hätte sparen können. Wie wohl auch Thomas Römer, der den Workshop leitete, erwartete ich dort eigentlich fundierte Kritik und Verbesserungsvorschläge für die Errata, bekam aber statt dessen nur die Heulerei armer Powergamer zu hören, die sich darüber beschwerten, dass ihr alter DSA3-Alleskönner in DSA4 plötzlich nicht mehr sämtliche Kampftalente auf 18 hat. Auch nicht besser war die andere Fraktion, die sich darüber beschwerte, dass der Nachteil "Schulden: 1500 Dukaten" viel zu heftig wäre, weil ihre Helden bei ultra-realistischer Spielweise nach all den Steuerabgaben, Zöllen, Alimenten, etc. niemals soviel Geld zusammenbrächten.
Wirklich zu bewundern war die stoische Ruhe von Thomas Römer, der jede noch so bekloppte Beschwerde beantwortete und auch zum tausendsten Mal noch völlig gelassen darauf hinwies, dass jedes Rollenspielsystem natürlich nur so gut ist wie seine Spieler (Er drückte es natürlich diplomatischer aus!). Wem 1500 Dukaten zuviel sind, der macht eben 500 oder 150 draus, wer alle Kampftalente auf 18 haben will, der steigert eben keine Zauber mehr, etc.
Naja, der Workshop war also für die Katz', dafür wurden die nächsten dann interessanter: Chris Gosse leitete eine Diskussion darüber, wie ein Spielleiter ein Abenteuer besonders gut präsentieren kann, Florian Don-Schauen und Tobias Hamelmann debattierten mit den Besuchern über Stilmittel im Rollenspiel und Thomas Finn gab einige Cliffhanger und Abenteuereinstiege zum Besten. Die Workshops hätte ich mal vor der Borbarad-Kampagne besuchen sollen.
Hier wurden mir dann solche Erkenntnisse eröffnet wie beispielsweise:
- Gib das Meisterruder auch mal an die Spieler ab. Viele Charaktere haben Marotten und Stärken, die im normalen Spielgeschehnissen selten zum Ausdruck kommen, weil sich einfach keine entsprechenden Gelegenheiten bieten. Da ein Spieler aber prinzipiell geneigt ist/sein sollte, seinen Charakter rollenspielerisch darzustellen, sollte man ihm die Möglichkeit geben, solche Details selbst auszuschmücken.
Beispielsweise könnte ein Spieler, der einen Stubenhocker-Magier mit Angst vor Schlangen spielt, während einer Überlandreise einfach mal mit seinen eigenen Erzählungen einen Regenschauer "erschaffen", der ihm die Möglichkeit gibt, rollengerecht darüber zu zetern, dass er ja schon immer gesagt habe, ein gelehrter Mann gehöre nunmal nicht auf die schmutzige Straße. Oder er läßt eine Schlange aus dem Gebüsch kriechen, die seinen Magier mit einem spitzen Kreischen die Robe lüften und auf einen Stein springen läßt. So können auch einmal Spieler die Initiative ergreifen und an der Gestaltung der Szene mitwirken, ohne dabei nur ihren eigenen Charakter zu beeinflussen.
Im Übrigen eine Sache, die im Forumsrollenspiel meiner Meinung nach ganz wunderbar funktioniert! - Sprich alle Sinne der Charaktere an. Auch wenn der offensichtlichste Sinn meistens der optische ist, gibt es doch viele Menschen, die eher ein akustisches oder sogar... Ähm...wie heißt das Fachwort?... riechzeugs-nasenmäßiges Gedächtnis haben. Und auch für andere wirkt eine Welt einfach in der Vorstellung plastischer, wenn sie nicht nur den Wald vor Augen sehen, sondern auch die Vögel zwitschern und Blätter rascheln hören, den kühlen Windhauch auf der Haut spüren und den letzten Regen noch riechen können.
- Beschreibe nur das offensichtlichste. (Oder offenriechlichste, etc. Siehe vorheriger Punkt.) Niemand, der hektisch einen Raum betritt, bemerkt als erstes die kusliker Webart des kleinen Tischdeckchens auf dem Beistelltisch neben dem alten Sessel in der Ecke. Viel eher entdeckt er erstmal den großen, bösen Ork mit der schartigen Axt, der gerade auf ihn einschlägt.
Erst auf weitere Fragen und damit näheres Beobachten (Oder sagen wir lieber "Wahrnehmen", wir wollen ja alle Sinne ansprechen.) hin kann man dann weitere Details beschreiben. - Geh bei der Beschreibung einer Situation auf die Eigenheiten der einzelnen Charaktere ein. Ein studierter Magier wird eher die arkanen Symbole am Kragen des bösen Schwarzmagiers entdecken und entziffern, während der wehrheimer Kadett zweifellos den gepflegten Zustand des kunstvoll geschmiedeten Bannschwerts in seiner Hand mit besonderer Aufmerksamkeit beachten wird. Der Streuner dagegen wird für all das keinen Blick haben, da dieser bereits am prall gefüllten Beutel am Gürtel des Schwarzmagiers haftet, welchen die horasische Kurtisane wiederum als aus der Gürtelmacherei der berühmten Familie Gyr'Tel erkennt.
- Spiel mit den Ängsten des Spielers. Wenn beispielsweise bekannt ist, dass ein Spieler Angst vor Spinnen hat, dann eignen sich Spinnen hervorragend, um eine spannende und gruselige Szene zu gestalten. Auch wenn dem Helden die Spinnen völlig gleichgültig sind (vielleicht mag er sie sogar als besondere Delikatesse), wird im Spieler Ekel geweckt, den er dann auf die im folgenden zu beschreibende Opferstätte des erst kürzlich stattgefundenen Blutrituals übertragen kann.
- Verwende Handouts. Wieder die alte Kiste. Um nicht nur die Imagination der Spieler anzusprechen, sondern auch ihren anderen Sinnen Input zu bieten, können auch profane Dinge als Handout ausgegeben werden. Finden die Helden beispielsweise einen erschlagenen Beilunker Reiter, warum nicht eine alte Ledertasche auf den Tisch legen, in der die Spieler dann den Proviant des Boten finden?
Oder im Gespräch mit dem Märchenerzählers eine Wasserpfeife bemühen, für etwas tulamidische Stimmung zu sorgen.
Auch ein schlichter Schmuckdolch kann schon als Handout dienen, wenn diesen beispielsweise ein Bösewicht am Tatort zurückgelassen hat. Selbst wenn er in keinster Weise plotrelevant ist, er hilft, weitere Sinne ins Rollenspiel einzubeziehen. - Hör den Spielern zu, denn sie haben die besten Ideen. Auch ein alter Hut. Da sitzt man bei der Vorbereitung eines Abenteuers stundenlang da und arbeitet sich zehn verschiedene Alternativen detailliert aus, damit einen die Spieler diesmal nicht wieder auf dem falschen Fuß erwischen, und dann kommen die Spieler natürlich prompt mit der elften Idee daher, die sie nun unbedingt umsetzen wollen.
Also hört man am besten den Spielern bei ihren ausführlichen Planungen zu, denn sie liefern meistens auch gleich schon die passenden Gegenmaßnahmen mit.
"Hm, wenn wir da durch die Tür stürmen, müssen wir vorsichtig sein. Dahinter lauert bestimmt schon der Büttel mit seinem Winhaller Köter!"
*Meister zeichnet auf dem Lageplan hinter die Tür zwei (!) Büttel mit drei (!!) Hunden und lacht sich ins Fäustchen*
Womit wir auch schon beim nächsten Punkt sind: - Behalte Lagepläne immer hinter dem Meisterschirm. Lagepläne sind eine tolle Sache, um im Kampfgetümmel nicht den Überblick zu verlieren - für den Meister! Sobald die Spieler einen Lageplan vor sich liegen haben (Was soll ein Lageplan auch anderes machen, wenn nicht liegen? Haha, Brüller!) richtet sich ihr Fokus nämlich von ihrem inneren Auge (Schon klar: Ohr/Nase/Zunge/Haut), vor dem die Szene abläuft und auch ablaufen sollte, wieder auf den Tisch und damit vor ihr reales Auge (Ich spar mir das mit den anderen Sinnen jetzt, ok?).
Alle bis dahin aufgebaute Stimmung ist futsch und der folgende Kampf wird zu einem rein strategischen Planspiel.
Dieser Tipp ist insbesondere für Shadowrun interessant. - Unterbinde Out-Time-Diskussionen und Absprachen in Streßsituationen. Ein actiongeladener Kampf lebt davon, dass es unübersichtlich ist, schnelle (und deshalb manchmal falsche) Entscheidungen getroffen werden müssen und man sich in permanenter Lebensgefahr befindet.
Sobald aber unter den Spielern taktische Überlegungen anfangen, die nicht sofort unterbunden werden, geht die Unübersichtlichkeit verloren, Entscheidungen werden wohl überlegt und die Gefahr so minimiert.
Es ist völlig normal, dass man im Kampf nicht viel mehr als seinen unmittelbaren Gegner wahrnimmt, auch wenn Spieler sich dann gerne benachteiligt und betrogen fühlen.
Ansonsten kann man auch gleich ein rundenbasiertes Strategiespiel spielen, da kommt es dann auch nur noch auf strategische Überlegenheit und ein bißchen Würfelglück an. Das ist aber nicht Sinn des Rollenspiels. - Style over Substance. Mit anderen Worten: Dramaturgie über Regeln. Lass auch mal Fünfe gerade sein, wenn es der Stimmung zuträglich ist.
Charaktere sollten niemals wegen Würfelpechs sterben. Verstümmle sie, mach sie unglücklich, jage ihnen einen gehörigen Schreck ein, aber tu es so, dass sie darüber hinwegkommen.
Das gilt übrigens gleichermaßen auch für Meisterpersonen.
Das ist auch die entscheidende Grundlage dafür, dass die Spieler Vertrauen zum Meister bekommen. Ohne Vertrauen läuft nichts. Ohne Vertrauen fühlen sie sich ständig ungerecht behandelt, wenn sie keine Lagepläne bekommen oder der Meister auf ihre Nachteile anspielt. - Den Rest habe ich vergessen. Wenn er mir wieder einfällt, schreibe ich halt 'nen zweiten Teil.
Die Podiumsdiskussion zur Firmenpolitik erspare ich mir jetzt mal, die war stinklangweilig. Reines BWL-Geschwätz.
Nur soviel: FanPro will neue Märkte erschließen und deshalb gibt es jetzt diese komischen Solo-Abenteuer fürs Handy und in Kürze auch DSA-Tassen, -T-Shirts, -Anstecknadeln, eine DSA-Schmuckkollektion von dem Typ, der auch schon exklusiv den einen Ring verscherbelt hat, und eine magnetische Pinwand mit der Aventurienkarte im Hintergrund. Das Ding sieht eigentlich garnicht schlecht aus, ist mit 30 Euro aber sauteuer.
Ansonsten soll es in Zukunft keine Boxen mehr geben (Götter&Dämonen wird die letzte sein.), weil sich die Produkte sonst im Buchhandel so schlecht verkaufen. Das Boxenkonzept stammt noch aus der Schmidt-Spiele-Zeit, da die der Meinung waren, richtige Spiele müßten in Pappkartons verkauft werden.
Damit wären wir auch schon bei den Neuerscheinungen. Im nächsten Februar wird DSA 20 Jahre alt und dazu ist zwar noch nichts konkretes geplant, es soll aber gefeiert werden. Denkbar wären einige Jubiläumsausgaben diverser Produkte. Vielleicht ist das beispielsweise der Anlass, um endlich die lang ersehnte und immer noch versprochene Luxus-Lederausgabe des Liber Cantiones und des entsprechenden Gebetsbuchs aus G&D in streng limitierter Auflage (Florian Don-Schauen sprach von 300-500 Stück.) herauszugeben.
Ansonsten soll es in Zukunft vermehrt Antologien zu verschiedenen Themen geben, da das Konzept der Kurzabenteuer-Sammlungen laut FanPro wohl aufgeht. Solo-Abenteuer soll es weniger geben, weil da der Absatz zurückgeht. Logisch, oder?
Auch eine größere Kampagne ist mal wieder geplant, diesmal soll es jedoch nichts weltbewegendes sein, sondern die charakterliche Entwicklung der Helden in den Vordergrund stellen. Dennoch soll es für die Charaktere tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen. Und es hat mit Drachen zu tun, hat Thomas Römer zwischen den Zeilen verraten. ("Es wird um Wesen gehen, die mit einer etwas höheren Betriebstemperatur arbeiten und ein leichtes Schuppenproblem haben.")
Erster Regionalband wird Der tiefe Süden sein, ebenfalls geplant für die erste Jahreshälfte 2004. Elf weitere werden folgen, dazu ein Band über die Spitzohren und einer über die kurzbeinigen Bartnuschler. Außerdem wurde der Vorschlag des Publikums aufgegriffen, auch über die anderen kulturschaffenden Rassen einen Sammelband herauszubringen. Konkretes hat man dazu zwar noch nicht verlautbaren lassen, allerdings war man seitens FanPro dem Vorschlag zumindest nicht abgeneigt. Der Band würde dann Trolle, Grolme, Riesen, Oger, etc. umfassen.
Eventuell werden diese Rassen aber auch nur im bald (in FanPro-Maßstäben) erscheinenden Hardcover zur Flora und Fauna Aventuriens kurz behandelt werden, wie es ja aus der Vorgängerbox Drachen, Greifen, schwarzer Lotos bereits bekannt ist.
Und zum guten Schluß noch mein Lieblingsthema: Borbarad!
Während des ebenfalls auf der RatCon stattfindenden exklusiven Workshops des Borbarad-Projekts (OK, eigentlich war es nur ein kleines Treffen mit einem Dutzend Interessierten auf einer Bank im Garten...) konnten wir Mark Wachholz einige interessante Details zur Neuauflage der Borbarad-Kampagne aus der Nase ziehen.
Die werde ich jetzt hier aber nicht nochmal abtippen, da ich das schon fürs Borbarad-Projekt getan habe. Wen's interessiert: Klick mich! Du willst es doch auch, Du Luder!
Gruß und so,
Sebastian